Petra Graute-Hannen
Inhaberin
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Heiner hat schon in seinem Bericht geschrieben, dass wir uns von unserem Ausbildungsbetrieb Haus Riswick her kennen, wir sind selber immer wieder erstaunt, wie zeitgleich unsere Anstöße von außen waren, und sie sind auch heute noch eine sehr grundlegende Basis unserer Beziehung. Als Stadtkind habe ich das erste Mal mit 5 Jahren Urlaub auf dem Bauernhof in Österreich verbracht und meine Eltern und meine Schwester sind dort über 20 Mal hingefahren, Sommer und Winter. Der Jungbauer Richard ließ uns überall gewähren, hat teilweise 6 Kinder auf dem Trecker zum Gras holen mitgenommen. Wir haben im Stroh gespielt, den Kühen Gras hingeschoben, mit den Katzen gespielt, die Pferde gestriegelt usw. usw. Ich war aber diejenige, die auch morgens schon in den Stall mitging.
Mein Wunschberuf damals war Postbote auf dem Land. Das war der älteste Sohn des Bauern (in Österreich ist meist eine andere Erbfolge als bei uns). Nach der Arbeit half er auf dem Hof mit.
Heiner und ich sind vielleicht auch typische Kinder der 80er, erste Kontakte mit Friedensgruppen, Einkauf im Bioladen und selber Brot backen mit 15 Jahren. Als ich für mich so die Weltpolitik entdeckte, fühlte ich mich eigentlich immer nur unwichtig und ohnmächtig, daher waren diese Ansätze von „es-selber-im-Kleinen-anders-machen“ genau das, was mich ansprach. Ich bin ebenfalls in einem katholischen Umfeld großgeworden, aber auch in einem Umfeld wo man eben nicht alles in Frage stellte, vielleicht auch durch den Beruf meines Vaters als Berufssoldat begründet. Aber meine Eltern haben mir auch immer aktiv sein vorgelebt, meine Mutter ist dies heute noch in der Kirchengemeinde. Außerdem habe ich mich immer angenommen gefühlt mit meinen Ansätzen und Wünschen. Mit 15/16 Jahren hätte ich die Schule am liebsten geschmissen und Hauswirtschaft gemacht, das dachte ich, sei eine Möglichkeit, auszusteigen aus dem Üblichen. Da man ja auch in Bonn Landwirtschaft studieren kann, habe ich mir da Sachen und Veranstaltungen angeguckt. In den Ferien habe ich ein Praktikum auf einem Demeter Betrieb gemacht und fand heraus, dass es auch eine landwirtschaftliche Lehre gibt, die ich machen könnte. Neben der Schule habe ich dann auf einem kleinen Biolandbetrieb mit Hofkäserei und einem mit Obstanbau geholfen. Wenn ich es ernst meinte, musste ich Bonn verlassen und „hinausziehen“. Für mich als absolut schüchternes junges Mädchen ein großer Schritt. Ich habe so meine Ausbildungsbetriebe gefunden: Die von Heimendahl‘sche Gutsverwaltung in Kempen und Haus Riswick in Kleve. Auf dem Ersten habe ich viel über Schafe, Geflügel und Direktvermarktung gelernt und auf Haus Riswick eben sehr viel über Kühe, Schweine und durfte als diejenige mit Vorerfahrungen sogar den Schäfer im Urlaub vertreten, also das erste Mal Verantwortung übernehmen. Um meine Schwächen im Ackerbau und mit Maschinenarbeiten auszugleichen, habe ich mich dann noch für ein Gehilfenjahr in Bayern auf einem großen klösterlichen Betrieb entschieden (Der Kontakt fand übrigens über Heiners Schwester Lene statt). Da gab es einerseits den supermodernen Ackerbaubetrieb, wo Schlechtwetter- und Winterarbeiten im Wald waren, eine Erfahrung, für dich ich sehr dankbar bin. Andererseits arbeiteten die Ordensschwester mit den Behinderten in den Ställen, der Mühle, den Werkstätten mit ganz viel Handarbeit und um für jeden eine Beschäftigung zu finden, die er machen konnte. Gehbehinderte konnten vielleicht besser sehen und Kartoffeln aussortieren, kräftigere, aber intellektuell Schwächere konnten mehr tragen etc.. Zeitgleich auf einer Wiese mit der Sense mähen und die modernsten Maschinen im Einsatz haben, das war eine sehr intensive Zeit, wo ich die Vertreterin sämtlicher Minderheiten war: Frau, aus der Stadt, Preußin, Bio…., aber die an den Wochenenden wiederum auf einem Bioland Betrieb mit kleiner Gastwirtschaft half. Ich bin dann wieder nach Nordrhein-Westfalen zurück und habe noch ein Gehilfenjahr in Kleve gemacht, das erste Mal auf einem Biobetrieb, denn es gab ja noch nicht so viele davon. Hier war der Schwerpunkt wieder mehr im Stall, für den ich mich oft alleine verantwortlich gefühlt habe, der Bauer war sehr viel mit der Betriebsleitung und der Vermarktung beschäftigt. So wie bei uns ja auch heute, damals konnte ich das so nicht verstehen und hätte mir oft mehr Erklärung und Rückhalt oder Austausch gewünscht. Meine zweite Hauptaufgabe war das Getreidereinigen für den Naturkostgroßhandel und so kenne ich einige Fahrer, die uns auch heute noch beliefern schon sehr lange. Allerdings kam ich in diesem Jahr wirklich an meine körperlichen Grenzen. Ich konnte mich nach wie vor nicht für ein Studium in Witzenhausen entschließen, da mein damaliger Exfreund und eben auch nicht Exfreund ebenfalls dort war und so war die landwirtschaftliche Fachschule in Siegburg eine gute Alternative für mich, ich stellte mir das auch praxisorientierter als ein Studium vor. Auf dieser Schule war ich gemeinsam mit Martin Nolte, damals Journalist in Bonn, der dann anschließend den Betrieb seiner Tante in Westfalen auf Biohühnerhaltung umstellte und von dem wir heute unsere Eier, die wir zukaufen beziehen. Wir Ökos waren die Spezialisten für biologische Themen in der Schule, und immerhin waren auch in den Abschlussprüfungen diese Themen vertreten, durchaus nicht selbstverständlich, wie ich heute an unseren eigenen Auszubildenden erlebe. Heiner habe ich, wenn ich dann in Witzenhausen zu Besuch war, immer wieder mal getroffen. Während dieser zweijährigen Schulzeit, wo ich auch viel jobbte, war ich auch wieder in der Kirchengemeinde aktiv. So fand sich bei uns damals eine Gruppe, die aufklären und informieren, aber auch praktisch tätig sein wollte: SHALOM für Solidarisch Handeln-Anders Leben-Offensiv Mitdenken, wow. In Bonn fand damals eine große IWF Tagung statt, wir haben zur Schuldenkrise, den Zuckerabkommen von Lomé, zu gerechtem Geld usw. Stände, Infoveranstaltungen und Gottesdienste gemacht. Es gibt auch eine Partnergemeinde in Rwanda, die uns zu ihrem 25-jährigen Gemeindejubiläum einlud und so beschäftigten wir uns mit dem Land und den Projekten vor Ort. Die zweiwöchige Reise fand im Juli 1989 statt und hat mich bis heute geprägt. Die Wertschätzung, die man für Fließendwasser und Strom empfinden kann, die Unterschiedlichkeiten im Alltag der Bauern dort und bei uns, die konkreten Unterschiede zwischen den Kulturen.
Das Thema ist zu groß für diesen Bericht, nur so viel: bei einer zweiten Reise 2005 war ich auch dabei und 2014 habe ich mich dagegen entschieden, meine Gedanken sind aber oft dort und ich bin daher weiterhin in der Bonner Gruppe dabei. Eine Vision in den Zusammenhang wären Bioprodukte von dort, wie die Biomango aus Burkina Faso, die wir heute verkaufen, dort zu initiieren……..
Da ich als außerordentliches Biolandmitglied auch immer die Informationen über Termine auf den Biolandbetrieben bekam, las ich auch von dem Einführungstreffen des neuen Mitgliedbetriebes Hannen in Büttgen, sodass ich da natürlich hinfuhr. Das sich daraus mehr entwickelt hat und wir uns eben nicht nur als ehemalige Mitlehrlinge getroffen haben, nehme ich jetzt vorweg. Dass ich dann nicht mehr meinen Alpsommer und mein Projektjahr in Rwanda gemacht habe, hing mit der schweren Krankheit und dem Tod meines Vaters und unserer Familiengründung zusammen, so zog ich also nach meinen Prüfungen von Bonn nach Büttgen, mitten in die Umstellung hinein. Meine Abschlussarbeit habe ich damals zu „Der Rolle der Landwirtschaft in der Gesellschaft und ihre volkswirtschaftliche Bedeutung“ geschrieben und so sah und sehe ich meine Arbeit auch heute noch: Als Stadtkind eine Brücke über die Ladentheke zu bauen, dass Produkte eine Geschichte haben und dahinter immer Menschen stehen. Mit der Einkaufstasche Politik machen und Position beziehen, weil der eigene Alltag mehr vielleicht nicht ermöglicht und dass unser Wohlstand und unsere Begeisterung für Rezepte und Genuss auch ein Gut ist, der nicht selbstverständlich ist und Wertschätzung verdient hat.
Wir haben immer gute Freunde gehabt, die uns sehr unterstützt haben, Studienfreunde von Heiner, die uns auf dem Hof vertreten haben, um ein paar Tage rauszukommen, die mit uns aus- und umgebaut haben, unsere hiesigen Freunde „schmeißen“ mit uns das Hoffest… Kollegen sind auch oft Freunde, man trifft sich zum Frühstück, immer mit Feldrundgängen verbunden. Auf der Biofach in Nürnberg treffen wir oft viele Kommiliton/innen von Heiner und auch ehemalige Azubis, die in der Branche geblieben sind und das sind oft ganz besondere Handelskontakte: Honig von Heike Apel von Blütenland Bienenhöfe, Tee und Kräuter von den Kräuterbauern (inzwischen andere Besitzer) Ute und Ernst mit Käse vom Basitenberghof, (Gottfried war danach noch auf dem Heggelbachhof Käser). Auch durch unsere Azubis sind Kontakte entstanden oder erhalten geblieben, einige haben Betriebe gegründet, oder sind auf die elterlichen Betriebe zurückgekehrt, manche sind Berater bei Bioland geworden, manche sind ins Ausland gegangen. Wir freuen uns immer, wenn wir etwas hören oder sie uns besuchen kommen. Waren die ersten Auszubildenden eher wie WG Mitbewohner fast gleich alt wie wir (Heiner war 27, ich 25, Katja 21), so sind sie ja heute im Alter unserer eigenen Kinder. Unsere Kinder sind mit Einigen großgeworden, sie waren Babysitter, heute eben Gleichgesinnte. Das Zusammenleben war in der Regel immer bereichernd, es gab eigentlich nur ein- bis zweimal Konstellationen, wo die Gemeinsamkeit sich auf das Anreichen der Sachen bei Tisch begrenzte. Aber die Kinder waren auch immer ein guter Anzeiger, welche Menschen zu uns passen und ich vergesse nie die Weisheit, die mal darin zum Ausdruck kam bei Vorstellungs- und Probearbeiten, „die passt, die hat auch mit uns gesprochen“.
Selber aktiv bin ich seitdem immer in Bioland Gremien gewesen. Unsere Kinder habe ich immer mitgenommen, wenn sie im Stillalter waren, auch das ganz typisch für unsere Branche.
Auch im Ökokistenverband haben wir Kontakte, wo man sich in den Gesprächen über Betriebs- Familien- und auch Beziehungsthemen austauschen kann und die uns sehr freundschaftlich verbunden sind. Hier entstehen aber auch Handelskontakte, wie unsere leider bereits wieder aufgelöste Erzeugergemeinschaft Ökokiste NRW, oder auch weil man durch Empfehlungen auf tolle Produkte überzeugter Lieferanten trifft. Wer wie, mit welchem Geld arbeitet, ist ein ganz wichtiger Punkt heute im Handelsalltag und wie oft wünschte ich, ich könnte die Begeisterung, die Basile für die Oliven, Ursula von der Heuschrecke mit ihrem Kräuterwissen, handwerkliche Arbeit bei den San Vicario Produkten, die faire Komponente bei Rapunzel Hand in Hand Produkten etc. noch deutlicher machen. Ich hoffe sehr, dass sich unsere Arbeitssituation so entwickelt, dass wir diese Aufgabe noch mehr wahrnehmen können, dazu bedarf es Menschen im Betrieb, die uns im Alltag mehr entlasten, doch das ist ein anderer Abschnitt.
Die Umstellung ist eigentlich nie beendet, in dem Sinne, dass es eben auch immer wieder andere Themen sind, und doch auch wieder dieselben, nämlich, was zeigt uns der Betriebsorganismus an. Gelingen bestimmte Kulturen nicht gut, muss eventuell die Fruchtfolge angepasst werden, hapert es in der Vermarktung, braucht es neue Wege. Wir haben in der Zeit 2003 etwa, wo wir uns um die Idee des Neubaus der Hofmarkthalle gekümmert haben, viel geguckt, „wie außen, so innen“ haben stark auf unsere Finanzen geguckt, unsere Strukturen etc. Wir haben mehr in unsere Chefrolle gefunden. Mitwirken und Mitarbeiten heißt nicht gleich auch mit Mitendscheiden. Wir haben dabei viel Lehrgeld bezahlt. Nicht jeder Mitarbeiter ist begeistert, wenn man Veränderungen absolut wichtig findet. Die Beschäftigung mit uns selbst als Mensch, als Unternehmer, als Eltern, als…..hat uns aber immer geholfen, Dinge zu verstehen. Ändern kann man nur sich selber, nicht die Anderen. Das zu berücksichtigen ist bis heute nicht immer einfach. Wir haben im Betrieb ein transparentes, einheitliches Lohnsystem entwickelt mit einer flachen Hierarchie, dass wir gut und wichtig finden. Das heißt im Klartext aber auch, wir haben alle nicht gerade viel, wenn man es auf die rein monetäre Größe beschränkt. Es war und ist daher auch immer wieder schwierig, Menschen zu finden, die das mittragen und vor allem aktiv weiter mitentwickeln. Denn Erfolg heißt in dem Fall, es muss für alle „ein mehr werden“ – und wir haben viel mehr als sich das rein monetär ausdrückt! Ich hoffe, Sie finden davon Einiges auf dieser Internetseite und erleben es bei uns auf dem Hof!